Atari
Die Atari-Computer von 1979 bis 1994

Von den Anfängen bis zum Split: 400, 800 und XL

Atari 400 Die Entwicklung von Videospielen führte zwangsläufig auch zur Entwicklung von Computersystemen, sind modulbasierte Spielkonsolen doch schon bereits kleine Computer an sich. 1977 begann man, darüber nachzudenken, was man mit dem TIA des Video Computer Systems wohl noch so alles anstellen könnte. Aus den Überlegungen heraus entstand dann der ANTIC, einer der Spezialchips der späteren Atari-Computer. Im August 1977 wurde der erste handverdrahtete Prototyp des ANTIC dem Atari-Management vorgestellt, das daraufhin das Projekt zur Entwicklung freigab. Es entstand zuerst Colleen, ein Computersystem auf Basis des 8-Bit-Mikroprozessors MOS 6502, wenig später auch Candy, eine auf Colleen basierende Spielkonsole, die aber ein Jahr später zum Einsteigercomputer umgeplant wurde. Ende 1979 erschienen die daraus entstandenen Computermodelle 400 und 800 dann auf dem nordamerikanischen Markt und galten bereits von Anfang an als technische Meilensteine, nicht zuletzt wegen des damals neuen Konzepts der sogenannten Custom Chips, die den Hauptprozessor entlasten sollen – eine Technik, die auch heute noch verwendet wird, allerdings wird es heute Chipsatz genannt. Ohnehin entstanden zu dieser Zeit markenübergreifend viele Standards, die heute normal sind oder sich im Lauf der Jahre immer weiter entwickelt haben. Von Atari kam beispielsweise die SIO-Schnittstelle, ein Artverwandter oder Urahn des heutigen USB-Standards – beide wurden mit Hilfe von Joe Decuir entwickelt.

Atari XL-Serie Bis 1982 gelang es Atari, mit Hilfe zahlreicher Werbekampagnen vor allem im Bildungssektor auch im Computerbereich die Marktführerschaft zu erobern, musste sich im Folgejahr dann Commodore und Texas Instruments geschlagen geben, die mit ihren Modellen Commodore 64 und TI-99/4A einen beispiellosen Preiskampf anzettelten. Weniger restriktive Bestimmungen der FCC – auch auf Betreiben von Atari, Apple und anderen Computerherstellern – machten die Computerproduktion erheblich einfacher und vor allem kostengünstiger. Atari entwickelte erst mit Collette eine Sparversion des 800, bei der alle bisherigen Einzelplatinen auf einer einzigen Hauptplatine vereint wurden, später wurde Collette durch das Projekt Sweet-16 ersetzt, das bis Ende 1982 zum 1200XL wurde.

Atari 1450XLD Im März 1983 kam dieser dann auf den Markt, war aber bei den Kunden eher unbeliebt, da die Neufassung des Betriebssystems auch einige Änderungen mit sich brachte, die bereits vorhandene Software zum Teil inkompatibel zum neuen System machte. So wurde bereits bei Markteinführung am Nachfolger 800XL und auch an dessen kleineren Ausgabe 600XL gearbeitet, die schon drei Monate später vorgestellt werden konnten. Auch eine professionelle Serie von Computern wurde entworfen, von denen es allerdings kein Modell bis zur Marktreife schaffte. An 16-Bit-Modellen und an einem zu Atari XL und IBM PC kompatiblen Hybridmodell wurde ebenfalls gearbeitet, ebenso an einem Computer basierend auf dem Amiga-Chipsatz Lorraine. Die gesamte Entwicklung kam jedoch nach der finanziellen Krise Ataris im Jahr 1983, dem Stopp der professionellen Schiene durch den neuen CEO Morgan zugunsten des Massenmarkts und schließlich der Aufspaltung der Firma Mitte 1984 zu einem abrupten Ende.


„Under New Management“ – Atari ST, XE und PC

Atari 520ST Die Tramiels als neue Eigentümer der Consumer Division, die nun als eigenständige Firma unter dem Namen Atari Corporation firmierte, führte die 8-Bit-Modelle in einer nochmals günstiger zu produzierenden Serie namens XE weiter, entwickelte aber ihr schon bei Tramel Technologies begonnenes 16-Bit-Projekt RBP zum Atari ST weiter. Nach nur wenigen Monaten Entwicklungszeit konnte der ST bereits Anfang 1985 auf der Winter CES vorgestellt werden – ein halbes Jahr, bevor der Commodore Amiga vorgestellt werden konnte und nur ein knappes Jahr nach dem Apple Macintosh.

Der 16-Bit-Computer mit grafischer Benutzeroberfläche gewann schnell an Beliebtheit und konnte auch zahlreiche professionelle Anwender für sich gewinnen. Neben der Allgäuer Volkssternwarte in Ottobeuren, wo der Computer zur Steuerung des Spiegelteleskops eingesetzt wurde, dem Wiesbadener Polizeipräsidium und dem Hodentumorzentrum des Hamburger Bundeswehrkrankenhauses, um ein paar Beispiele zu nennen, fand der ST dank der eingebauten MIDI-Schnittstellen vor allem bei Musikern großen Anklang. Unter den Künstlern und Bands, die mit dem ST arbeiteten (und zum kleinen Teil sogar bis heute arbeiten), befinden sich Roxette, die Zillertaler Schürzenjäger, Kraftwerk, BAP, Jean-Michel Jarre, B.B. King, The Pointer Sisters, Tangerine Dream, Atari Teenage Riot und U96, selbst international bekannte Acts wie Queen, Genesis, Depeche Mode, Jamiroquai, Fleetwood Mac oder Michael Jackson nutzten den ST.

Atari Mega ST Mit Erscheinen des Mega ST samt dazu passendem Laserdrucker, Großbildschirm und entsprechender Software wie beispielsweise DMC Calamus wurde der ST auch im Desktop Publishing-Bereich zu einer festen Größe. Auch im schulischen Bereich, vor allem an Universitäten war der ST sehr beliebt, insbesondere auch durch die Textverarbeitung Signum!, die die beliebige Positionierung der Schriftzeichen erlaubte, was unter anderem für mathematische Formeln von ernormer Bedeutung ist. Atari gewann 1988 sogar eine Ausschreibung, nach der die Firma die Universität in Stuttgart mit 500 Computern ausstatten durfte. In den Ostblockstaaten fanden derweil die 8-Bit-Modelle derart großen Anklang, dass 1988 sogar der bereits eingestellte 800XL erneut aufgelegt und vertrieben wurde, um die Nachfrage decken zu können. In Polen war der XE noch vor dem Sinclair ZX Spectrum Marktführer, in der DDR war der 800XL 1985 der erste offiziell eingeführte Heimcomputer aus dem Westen – in den Intershops wurden bis November 1989 etwa 100.000 Atari-Computer verkauft. 1987 erschien auch eine Atari PC genannte IBM-Kompatible Computerlinie, die 1989 von den ersten ABC-Geräten abgelöst wurde.


Langsamer Niedergang ab 1989 – ABC, STE, TT und Falcon

Atari 520ST Nach anfänglichen Erfolgen, die in einigen europäischen Märkten sogar bis zur Marktführerschaft führten, holte der Rest der Branche Ataris Vorsprung jedoch recht schnell auf, und Ende der 1980er Jahre hatten Commodore Amiga, Apple Macintosh und auch die PC-Klone technisch die Nase vorne. Auch Nischenprodukte wie die Transputer Workstation oder der Laptop Stacy konnten da nicht helfen. Der STE, der 1989 erschien, holte einige der Differenzen wieder auf und verkaufte sich auch recht gut, aber Atari schrieb ab 1990 bereits wieder rote Zahlen. Die 1987 eingeführten IBM-Kompatiblen liefen ebenfalls nicht wie erwartet, mit Ausnahme des damals kleinsten XT-Kompatiblen Taschencomputers Portfolio, der zahlreichen Kinobesuchern vor allem in James Camerons Spielfilm Terminator 2 ins Auge gefallen sein dürfte. Die letzten Computerprodukte waren 1990 der TT030, 1991 der Mega STE und die zweite Auflage der ABC-Serie, 1992 das ST Book Notebook und 1993 der Falcon 030. Andere Projekte wie das Tablet Stylus oder der Falcon 040 gelangten entweder nicht mehr zur Marktreife oder wurden auf Grund gering eingeschätzter Marktchancen wieder eingestellt.

Atari Mega ST Im Laufe des Jahres 1994 zog sich Atari mehr und mehr aus dem Computermarkt zurück, der zu dieser Zeit bereits von Windows-Systemen nahezu komplett beherrscht wurde. Auch die Konkurrenz musste sich gegenüber der x86-Übermacht mit immer geringer werdenden Marktanteilen abfinden, Commodore trieb es am 29. April 1994 sogar in die Insolvenz – möglicherweise der Anstoß für den endgültigen Rückzug Ataris aus dem Computersektor. In den letzten zwei Jahren konzentrierte sich Atari auf den vertrieb der Spielsysteme Lynx und Jaguar, ganz am Ende gab es auch noch einen kurzlebigen Versuch, im PC-Spielemarkt Fuß zu fassen.
Letzte Seitenaktualisierung: 12. Januar 2024