Atari Falcon
Die Multimedia-Maschinen
Atari ABC


Einführung

Als Nachfolger für die langsam in die Jahre kommende ST-Serie wurde ab etwa 1991 an der Computerbaureihe Falcon gearbeitet – nicht zu verwechseln mit dem Projekt Falcon von 1983, aus dem die AtariTel Division hervorging. Neben einem als Heimcomputer konzipierten Einstiegsmodell sollte es mindestens ein mittleres Modell auf Basis des Heimcomputers sowie ein High End-Modell mit besserem Prozessor geben. Mit diesen Modellen sollten nach und nach die zu dieser Zeit vertriebenen Modelle 520/1040STFM, 520/1040STE, TT030 und Mega STE abgelöst werden. Auf der CeBIT '92 in Hannover wurde im Hinterzimmer der Atari FX-1 Prototyp präsentiert, ein multimedial ausgelegter Heimcomputer auf Basis des Motorola 68030 und des digitalen Signalprozessors Motorola 56001. Ein halbes Jahr später feierte der nun Falcon 030 genannte Computer seine Weltpremiere auf der Atarimesse in Düsseldorf, ein Falcon 040 wurde zu dieser Zeit bereits angekündigt. Wenige Wochen später war der Computer in gleich sechs verschiedenen Konfigurationen erstmals in Deutschland zu haben, die Preise begannen beim Basismodell bei 1598 DM. Zwei Monate später zog das Vereinigte Königreich nach, in den USA, dem Heimatland Ataris, war der Computer aber erst ab Sommer 1993 endlich verfügbar.

Was zu dieser Zeit mit Falcon 040 und der Microbox passierte, ist nicht ganz klar, denkbar ist, dass die Arbeiten an den Modellen bereits eingestellt wurden. Denn der Computermarkt hatte ein Problem für klassische Computerhersteller wie Atari und Commodore: die PC-Kompatiblen beherrschten den Markt fast völlig. Anders als beim Start des ST im Jahr 1985 gab es nun eine weithin etablierte Quasi-Standardarchitektur, aus der man sich einen Computer ganz nach seinen Vorstellungen selbst zusammenstellen konnte – der Pool an Möglichkeiten war unerschöpflich, die Anbieter zahlreich. Proprietäre Systeme wie der Atari ST oder der Commodore Amiga hatten da das Nachsehen. Zwar gab es auch hier Entwicklungen in Sachen bessere Erweiterbarkeit, doch durch die Verwendung anderer Standards oder Eigenentwicklungen stellte man sich schon fast selbst eine Falle. Für Atari erschwerend kommt hinzu, dass die Firma, einst ein Weltkonzern, nun eher mittelständisches Unternehmen, seit 1991 keine eigene Produktionsstätte mehr besaß und die Marketing-Abteilung sich einen Fauxpas nach dem anderen leistete – die Strategie, keine Kommentare zu Ereignissen oder Entwicklungen abzugeben, mag bei Filmen etc. funktionieren, um die Kundschaft neugieriger zu machen, bei Computern verlassen sich Anwender aber auf Fakten und Zahlen – bekommen sie diese nicht vom Anbieter A, wechseln sie schnell zu Anbieter B. All das schlug sich dann auch in den Verkaufszahlen nieder: Brachte Atari 1985 innerhalb weniger Monate bereits 100.000 ST-Computer weltweit unter die Leute, waren es bis zum Jahreswechsel 1993/94, also über den Zeitraum von über einem Jahr, nicht einmal 20.000 Falcon-Computer weltweit, davon über 40% alleine in Deutschland.

Spätestens nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von Commodore im April 1994 zog sich Atari dann vollends aus dem Computermarkt zurück und konzentrierte sich ganz auf die Videospielsysteme Lynx und Jaguar. Die deutsche Firma C-Lab erwarb eine Lizenz an der Falcon-Technologie und entwickelte auf dieser Basis bis zur Jahrtausendwende mehrere Falcon-kompatible Modelle, die als Nischencomputer vor allem in der Musik ihre Anwendung fanden. Atari selbst unternahm noch einmal mit dem Projekt Painter den Versuch, die Technologien von Falcon, Lynx und Jaguar in einer High End-Multimedia-Maschine zu vereinigen, gab das Vorhaben aber schon recht bald wieder auf und lizenzierte das, was schon an Technologie entwickelt wurde, an Time Warner Interactive, wo sie als CoJag Einzug in einige Atari Games-Arcadespiele halten sollte. So bleibt der Falcon 030 das einzig erschienene Modell einer ganzen Reihe geplanter und für die 90er Jahre zeitgemäßer Computer.


Letzte Bearbeitung: 8. November 2023